
Lebensader und Last zugleich
Wenn die Aufnahmefähigkeit des Darmes vorübergehend oder dauerhaft für eine „normale“ (enterale) Ernährung nicht ausreicht, wird eine künstliche (parenterale) Ernährung durch Infusionen über eine Vene notwendig. Auf diesem Wege werden Nährstoffe, Wasser, Mineralien, Spurenelemente und Vitamine zugeführt. Die parenterale Ernährung (PE) ist daher eine lebenserhaltende Therapie.
Die Zusammensetzung und der Umfang der parenteralen Ernährung richtet sich nach dem individuellen Bedarf eines Patienten, d. h. nach der Restfunktion des Darms und dem Ausmaß der Malabsorption. Die Resorption von Wasser und Elektrolyten ist oft stärker gestört als die Resorption von Eiweiß und Energieträgern. Das Gesamtvolumen und die Elektrolytzusammensetzung sollten an die Netto-Flüssigkeits- und Elektrolytverluste von Durchfall bzw. Stoma-Output angepasst werden und diese mindestens ausgleichen.1
Die PE gleicht also den Flüssigkeitshaushalt aus und stellt die Energieversorgung des Körpers sicher. Um beides zu ermöglichen setzt sich die PE aus verschiedenen Bestandteilen zusammen.
Wasser und Mineralien (Elektrolyte)
Die Infusion von Wasser und Mineralien (Elektrolyten) muss einerseits den Bedarf decken, der „normalerweise“ durch den Verlust von Elektrolyten über den Urin, die Haut und den Stuhlgang zustande kommt. Beim Kurzdarmsyndrom besteht durch vermehrte Verluste über den Durchfall ein zusätzlicher Bedarf. Dies kann dazu führen, dass große Mengen Flüssigkeit und Elektrolyte zugeführt werden müssen.
Mikro- und Makronährstoffe
Aminosäuren, Kohlenhydrate und Fette bezeichnet man als Makronährstoffe.
Kohlenhydrate und Fette dienen dabei der Energieversorgung des Körpers. Aminosäuren braucht der Organismus zum Aufbau von Eiweißen. Als Mikronährstoffe bezeichnet man Vitamine und Spurenelemente. Es stehen verschiedene Vitamin-Präparate zur Infusion zur Verfügung.
Die zeitliche Durchführung der PE sollte wenn möglich den Wünschen des Patienten angepasst werden (z. B. nachts 8-16 Stunden täglich).1
Wichtig zu wissen:
- Für jeden Patienten wird ein individueller Plan festgelegt.
- Regelmäßige Kontrollen sowie eine Anpassung der Therapie sind oft notwendig.
- Ziel der Behandlung ist die kontinuierliche Optimierung der PE, das heißt eine medizinisch, technisch und sozial optimale und komplikationsarme Versorgung des Patienten bei möglichst geringer Abhängigkeit von anderen.
Parenterale Ernährung bedeutet zu leben, aber es nicht das Leben, wie man es vorher kannte, und es ist wie eine andere Welt.1,2"
Auch wenn die PE für die Lebenserhaltung notwendig ist, birgt sie zugleich auch gewisse Risiken.
Problematisch ist vor allem die Infektionsgefahr. Diese besteht besonders stark rund um den gelegten Zugang und kann nur durch strenge Hygienemaßnahmen verringert werden.
Nach längerer künstlicher Ernährung ist das Risiko für Folgeerkrankungen wie Gefäßverschlüsse, Infektionen, Nieren- oder Gallensteine und schwere Leberschäden erhöht.
Da die PE in der Regel nachts durchgeführt wird, kann es zu Schlafunterbrechungen durch häufiges Wasserlassen, Wechsel der PE-Beutel oder Pumpenalarm kommen.
Nicht zuletzt kann die PE natürlich auch die Lebensqualität beeinträchtigen und die Seele belasten.
Für die optimale Versorgung eines Patienten mit einem Kurzdarmsyndrom ist das Zusammenarbeiten eines eingespielten Teams unerlässlich. Alle Beteiligten sollten sich regelmäßig austauschen. Denn sowohl Arzt und Apotheker als auch die Ernährungsberaterin und der Pflegeservice übernehmen unterschiedliche Aufgaben im Therapieprozess, die gut aufeinander abgestimmt sein wollen.
Lamprecht G. et al. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. in Zusammenarbeit mit der AKE, der GESKES und der DGVS. Klinische Ernährung in der Gastroenterologie (Teil 3) – Chronisches Darmversagen. Aktuel Ernahrungsmed 2014; 39: e57–e71.
Patientenaussagen erfasst in einer qualitativen Studie mit Tiefeninterviews von Winkler et al. 2010 bei Erwachsenen mit Darmversagen. die während der Studie auf heimparenterale Ernährung angewiesen waren.
Winkler MF et al. JPEN J Parenter Enteral Nutr 2010;34(4):395-407.